Rathausgalerie
Grimma zeigt Porträts und neue Aquarelle von Rocco Hettwer
Ingrid
Leps
Grimma.
Von einer Reise nach Madrid kam Rocco Hettwer nicht nur mit inneren Bildern der
spanischen Granden El Greco, Velazques, Zurbaran und Goya zurück. Die eigene malerische
Ausbeute eines mehrwöchigen Intermezzos zeigt der gebürtige Wurzener derzeit in
der Grimmaer Rathausgalerie.
Seine
neuen Aquarelle entstanden ganz unter dem Eindruck einer sonnendurchglühten
Landschaft, in der nach der Ernte im Reisemonat September kaum noch Farbe
auszumachen war. Für Hettwer war es eine malerische Entscheidung, dieser
Unfarbigkeit mit Krapplackdunkel und Chromoxidgrün beizukommen. So entstanden
differenzierte Grautöne, von denen die Atmosphäre rund um die kleine Stadt
Chinchón, 40 Kilometer von Madrid, auf erstaunlich eigenwillige Weise
aufgenommen wird.
In
einer schönen Blockhängung präsentiert die Galerie die 21 Blätter der Aquarellfolge
einer Fiesta in Cinchón. Bei dem einwöchigen Fest zu Ehren der Mutter Gottes vom
Rosenkranz verwandelt sich die Plaza Mayor in eine Arena, auf der Kampfstiere
nach der Hatz durch eine Gasse vorgeführt und von mutigen jungen Leuten
provoziert werden. Vom sicheren Standort einer Balustrade ließ sich Hettwer Tag
für Tag von diesem, im Gegensatz zu einer Corrida, unblutigen Treiben
faszinieren, ließ sich nach eigenem Bekunden ganz auf die „Sensation des Sehens“
ein. In feinen Abstufungen von Elfenbeinschwarz stellte sich der Künstler den harten
Kontrasten wandernden Lichts, spielte nahezu vom gleichen Standpunkt mit den
Wirkungen einer Markise, den Veränderungen seines Blickwinkels. So entwickelte
er mit kleinen und kleinsten Pinselstrichen monochromatische Sequenzen von
cineastischer Wirkung. Auch dem bizarr anmutenden Treiben im Vorfeld der
Stierhatz konnte sich Hettwer nicht entziehen. Das zeigen merkwürdige Szenerien,
auf denen sich Menschen coram publico im selbstvergessenen Spiel mit gehörnten
Attrappen verlieren.
Die
Ausstellungsdramaturgie in der Rathausgalerie profitiert darüber hinaus von neun
Porträts, die nicht älter als drei Jahre sind. In diesen großformatigen Bildnissen
junger Menschen gelingen Hettwer ambivalente Nuancierungen zwischen Aufsässigkeit
und Unsicherheit, zwischen Versunkenheit und genervter Anspannung. Seine
Porträts sind wie Momentaufnahmen. In der malerischen Bannung eines
Sekundenbruchteils fallen sie mit souverän ausgespielten Stofflichkeiten wie
ausgeklügelten Licht- und Schatteneffekten noch weit intensiver aus als mit
modernster Fototechnik. Gern gibt der
Maler seinem Gegenüber auch Gegenstände in die Hand, die er gegebenenfalls
weglässt, so dass die Modelle in seltsamer Introvertiertheit erscheinen, voller
Hingabe beim Bearbeiten einer plastischen Masse, beim Radio-Hören oder dem
Blick durch eine Lupe.
Vor großer
Besucherkulisse gab Ingrid Koch zur Vernissage am Sonnabend eine Einführung in
die Arbeit des in Berlin lebenden Künstlers. Der gelernte Buchdrucker, Jahrgang
1964, habe an der Kunsthochschule Berlin Weißensee als Meisterschüler von
Dieter Goltzsche einen Lehrer gefunden, der Form als Form und Malerei als
Malerei gelten ließ. Nach den kraftvollen Blockbildern der 1990er Jahre dürfte
Hettwer gespürt haben, dass er neue Entwicklungswege einschlagen müsse. Seit 2005, so blickte Koch zurück, setze sich
der Künstler mit der Figur im Raum auseinander. Er lasse sie in einer
traumhaften Aura voller Geheimnis erscheinen, das bis an psychische Abgründe
führen könne. Hettwer knüpfe nicht an Schulen an, noch folge er
offensichtlichen Leitbildern. „Er lässt Formen erzählen. Der Betrachter reimt
sich Geschichten selbst zusammen“, konkretisierte die Dresdner
Kunstwissenschaftlerin. Das reiche bis hin zur Selbstentdeckung. „Ein Bild
sollte immer offen bleiben“ – das ist Hettwers Credo.
@Porträts
und neue Aquarelle, Rocco Hettwer, Grimma, Rathausgalerie, Markt 27, bis 18.6.,
geöffnet Di, Do, Fr, Sa, So 15 bis 17 Uhr
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